Stefan Reiter im PRESSE Interview

Das Fußballwunder vom Innviertel hat mehrere Väter. Einer davon ist Ried-Manager Stefan Reiter, der seit 18 Jahren für den Tabellenführer arbeitet und sich auf Rapid freut.

Ried: „Werden endlich respektiert“
04.12.2010 | 18:08 |  von Wolfgang Wiederstein (Die Presse)

Die Spielvereinigung Ried thront für viele überraschend immer noch an der Spitze der Fußballbundesliga.

Gibt es ein Erfolgsgeheimnis?
Stefan Reiter: Geheimnisse gibt es keine in Ried. Damit konnten wir natürlich im Sommer nicht rechnen, aber wir genießen diese Situation. Wenn Erwartungen übertroffen werden, dann beginnt eine Art Neuorientierung. Begonnen haben wir mit diesem Prozess nach dem Wiederaufstieg vor sechs Jahren. Diese Zeit ist eine äußerst erfolgreiche, ich würde es als tolle Geschichte formulieren. Eigentlich sind wir nach den großen vier Vereinen wie Salzburg, Rapid, Austria und Sturm immer schon der Tabellenführer der Jäger gewesen. Wir haben auch schon im vergangenen Herbst sehr gut gespielt, sind dann aber irgendwie im Niemandsland gelandet. Nach ganz vorn ging nichts, der Abstand nach unten war zu groß. Das war der Anlass, um sich ein neues Ziel zu setzen.

Welche Strategie führt zum Erfolg?
Da gehören mehrere Komponenten dazu. Wir haben in erster Linie schnelle Spieler gesucht. Und auch gefunden. Diese neuen Typen haben wir in die Mannschaft eingebaut. Auf der anderen Seite wollten wir Talenten eine Chance geben. Die Transfersumme im Sommer war null. Wir haben allerdings auch keine Einnahmen aus Spielerverkäufen lukrieren können. Wir erfreuen uns unserer Akademie, sie ist eine ganz große Säule unseres Erfolgs. Unser Einzugsgebiet umfasst in Oberösterreich etwa 700.000 Menschen.

Wie kommt Ried auf Legionäre aus Spanien?
Das ist eine längere Geschichte. Unser Ko-Trainer Gerhard Schweitzer hat vor einigen Jahren im Rahmen seiner Ausbildung in Spanien als Coach hospitiert. Dort hat er Kontakte geknüpft. Und sie gepflegt. Er hat sich in der zweiten und dritten spanischen Liga umgesehen – und ist auf mehrere interessante Spieler gestoßen. Dann haben wir Nacho als Testpilot zu Ried geholt. Er hat eingeschlagen, er passt perfekt zu uns. Der Versuch hat sich bewährt, also haben wir zwei weitere Spieler aus Spanien verpflichtet. Zwei junge Burschen, mit denen wir sehr zufrieden sind.

War Ried für Marti Misut Guillem und Carril Regueiro Ivan ein Kulturschock?
In Spanien weiß man über den österreichischen Fußball nicht allzu viel. Aber diese Burschen wollten etwas Neues wagen. In den unteren Spielklassen gibt es in Spanien viele hochtalentierte Jungs. Sie sind perfekt ausgebildet. Das Nachwuchssystem ist dort etwas anders als bei uns, dort gibt es ein jährliches Ausscheidungsverfahren. Und es gibt immer verschiedene Gründe, warum es ein Spieler nicht schaffen kann. Regueiro war bei Barcelona und La Coruna, Guillem bei Mallorca, Cadiz und Saragossa. Aber sie haben es eben nicht ganz geschafft. Dann landest du weiter unten – jetzt sind sie in Ried glücklich.

Spanische Talente als Billiglösungen?
Die liegen bei uns ganz normal im Durchschnitt. Bei uns gibt es keine Stars, wir haben nur ein Budget in der Höhe von 5,2 Millionen Euro. Für die Mannschaft sind drei Millionen einkalkuliert. Wir haben eine sehr stabile Struktur.

Welchen Anteil hat Trainer Paul Gludovatz am Erfolg?
Einen großen Anteil natürlich. Die entscheidende Arbeit eines Trainers ist es, die Spielweise an die Spieler anzupassen. Das hat mit Qualität zu tun. Dazu habe ich einen Coach, der mir eine echte Mannschaft, ein Team zusammenstellt. Ob eine Elf dann defensiv oder offensiv agiert, das ist eine Frage der Philosophie und der Möglichkeiten. Fußball hat etwas mit Unterhaltung zu tun. Ried bietet dieses Entertainment, das zeigen auch unsere Zuschauerzahlen, die mit einem Schnitt von 6000 über den kalkulierten Zahlen liegen. Wir stehen mittlerweile für den Rieder Fußball – wir wollen unverwechselbar sein. Wenn Ried auf Rapid trifft, dann wird es oft sehr emotional.

Sie haben beim letzten Spiel ordentlich Öl ins Feuer gegossen…
Ich habe kein Öl ins Feuer gegossen. Mein Aufstand war richtig und wichtig – wenn es eine wirklich seriöse Berichterstattung gegeben hätte. Die Verletzung von Stefan Lexa, der einen Kreuzbandriss erlitten hat, war sehr unschön. Lexa hat dann in einem Interview von Absicht bzw. Vorsatz gesprochen, dadurch ist die Staatsanwaltschaft aktiv geworden. Aber diese Geschichte ist abgehandelt.Mir ist es darum gegangen, dass Ried fair behandelt wird. Wenn Rapid im Innviertel verliert, dann heißt es: Das ist ein Wahnsinn. Dass wir gewonnen haben, weil wir stark sind, darüber spricht man nicht. Wir sind Teil dieser Liga und machen einen professionellen Job. Das sollte man respektieren. Ich denke schon, dass sich seither etwas verändert hat. Ich habe keinen Fehler gemacht, ich bin legitimiert, Kritik zu äußern.

Erwarten Sie im Hanappi-Stadion einen Hexenkessel bzw. Anfeindungen?
Sollen die Fans doch „Bauernschweine“ rufen, meine Güte. Wir sind in Wien nur Außenseiter, auch wenn wir als Tabellenführer kommen. Wir haben zwar den Rapidlern schon oft alles abverlangt, gewonnen haben wir in Hütteldorf aber noch nie. Kann die SV Ried Meister werden? Unser Saisonziel war, in der Heimtabelle unter die Top drei zu kommen. Jetzt werden wir nachjustieren. Ich halte es für möglich, einen Europacup-Startplatz zu schaffen. Ich möchte nur daran erinnern, dass wir schon einmal Zweiter und einmal Vierter waren und im Uefa-Cup gespielt haben. Aber wenn Ried oben steht, dann heißt es immer gleich, die Liga ist schlecht. Wir aber haben Qualität.


QUELLE: („Die Presse“, Print-Ausgabe, 05.12.2010)