„Man beginnt immer wieder von vorne“

Wie entsteht der Kader für eine Spielsaison? Und wie kommt man zu den „richtigen“ Spielern? SVR-Sportmanager Stefan Reiter beantwortet im „SVR-Inside“ diese zentralen Fragen und erklärt, warum sich die Transferpolitik in Ried geändert hat, welche Probleme in den vergangenen Jahren dadurch entstanden sind und wie der Verein darauf reagiert hat.

Stefan Reiter, wie hat sich die Rieder Transferpolitik in den vergangenen Jahren entwickelt?

 

Unsere Transferpolitik, wie wir sie in den vergangenen Jahren betrieben haben, funktioniert so zurzeit nicht mehr. Die Spieler, auf die wir immer fokussiert waren – junge, aufstrebende Talente – sind früher bei den großen Klubs nicht zum Zug gekommen. Früher waren wir in Ried bei Transfers von diesen Spielern fast alleine. Jetzt müssen wir uns mit allen anderen matchen. Weil zum einen die Großklubs zu wenig Geld haben, um erfolgreiche Spieler halten zu können. Und weil zum anderen Vereine wie WAC oder Grödig nach uns den selben Weg gegangen sind wie wir.

 

Was heißt das in der Praxis?

 

Spieler wie Gartler oder Liendl entscheiden sich heute aus wirtschaftlichen Gründen für die 2. Liga in Deutschland. Das ist aus ihrer Sicht auch verständlich. Diese Spieler wären aber vor zwei, drei Jahren noch bei uns geblieben. Die Vermarktungssituation in Deutschland hat sich stark verändert, die Einnahmen der 2. Liga haben sich massiv erhöht.

 

Ist es nicht positiv, wenn viele Österreicher im Ausland kicken?

 

Das ist eine Gratwanderung. Wir sind natürlich ein Ausbildungsland. Das heißt aber auch, dass die 20 A-Nationalspieler im Ausland sind, genauso wie die 20 Spieler auf dem Level unter A. Und dazu auch noch die 20 besten jungen Spieler. Das ist dann eine einfache Rechnung: Jedem Klub gehen damit im Schnitt sechs gute Spieler ab.

 

Wie kann ein kleiner Verein wie Ried auf diese Situation reagieren?

 

Wir müssen uns andere Schienen aufmachen und noch mehr in den Nachwuchs investieren. Und aus der Breite noch mehr Spiele an die Spitze führen. Wir müssen die Türen wieder öffnen für Nicht-Österreicher. Wir können uns nicht mehr mit eigenen Spielern versorgen. Dieses Problem sieht man auch bei anderen vergleichbaren Ländern.

 

Deutschland ist einer dieser neuen Märkte?

 

Deutschland hat zehn Mal so viele Spieler wie Österreich, aber nicht zehn Mal so viele Profiklubs. Es bleiben deshalb in Deutschland eine Menge Spieler mit guter Qualität übrig. Auf die müssen wir schauen. Auch Spanien ist bei uns noch immer im Fokus. Wir konzentrieren uns auf diese Märkte, um Spieler zu bekommen, die sportlich und wirtschaftlich zu uns passen. Auch den grenznahen Ländern im Osten geht es heute so. Sie haben das gleiche Problem: Gute Spieler wechseln in starke Ligen und es müssen dort auch massiv Spieler aus anderen Ländern importiert werden.

 

Wie sieht die Lösung aus?

 

Es sollte einen einfachen Schlüssel geben: Wie viele Spieler exportiert man, wie viele muss man zum Gegensteuern importieren. Das Konzept der Ausbildungsliga wird dadurch nicht gebrochen. Das wird weiter so funktionieren, weil in Österreich gut ausgebildet wird. Aber auch das muss natürlich noch besser werden. Unsere Liga muss aber auch konkurrenzfähig bleiben. Wenn es nur mehr Wechsel innerhalb der Liga gibt, wäre das dann immer der gleiche Einheitsbrei.

 

Wie sieht die Kaderplanung für eine neue Saison aus?

 

Die Planung für die nächste Saison beginnt bereits nach etwa einem Viertel der laufenden Saison. Da erkennt man dann, auf welchen Positionen man noch Bedarf hat. Ein zweiter wichtiger Punkt ist die Vertragssituation der Spieler. Man hat ein recht gutes Gefühl, bei welchen Spielern eine Vertragsverlängerung nicht mehr klappen wird. Und drittens muss man auch auf Verletzungen reagieren. Dann beginnt man, sich national und international nach Spielern umzuschauen, die sportlich passen und die auch wirtschaftlich leistbar sind. Dazu ein Beispiel aus der 2. Liga in Deutschland: Man schaut dann, warum ein Spieler nicht spielt, der in den letzten beiden Jahren Stammspieler war. Man holt sich möglichst viele Informationen ein und im Frühjahr kommt es dann zur Entscheidungsfindung. Tagesaktuell sind wir zum Beispiel an acht Spielern aus Österreich, Deutschland und Spanien dran. Das wissen zum Teil die Spieler selbst noch nicht. Es kann sein, dass wir den einen oder anderen dann bereits für den Winter kontaktieren. Das hängt dann natürlich auch von seiner Vertragssituation ab. Wenn es im Winter nicht klappt, dann bereiten wir alles für den Sommer vor.

 

Wie kommt man zu diesen potentiellen Neuzugängen?

 

Zum einen gibt es ein großes Netzwerk von mir und auch vom Trainer. Unser Anforderungsprofil für Spieler geben wir an dieses Netzwerk weiter. Mein Netzwerk besteht aus etwa 30 Personen. Die meisten von ihnen sind aus Österreich und Deutschland. Aber es sind auch welche dabei aus Ländern wie Polen oder Georgien. Darunter sind Kollegen, Spieleragenten, Trainer, aber auch Personen, die früher einmal im Fußball tätig waren und den Fußballmarkt nach wie vor genau beobachten und kennen. Aus diesem Netzwerk hat sich ein Kreis von einigen Personen herauskristallisiert, zu denen ich ein sehr hohes Vertrauen habe. Zum anderen gibt es dann die persönliche Recherche. Ein Beispiel: Ich suche einen „Sechser“. Deshalb schaue ich mir in Österreich alle Sechser in der 1. und 2. Liga und in Deutschland in der 2. und 3. Liga an. Bei uns in der 1. Liga bleiben dann jene Spieler zur Auswahl, die zwischen Stammmannschaft und Bank pendeln, in der 2. Liga sollte er natürlich fix spielen. In Deutschland reicht das Spektrum zwischen fix und Ersatzbank. Alle anderen können wir uns gar nicht leisten. Wir legen dann ein Altersprofil fest, da bleibt dann eine gewisse Anzahl übrig. Danach schauen wir uns noch die Historie der Spieler an. Wie sieht es aus mit Verletzungen, Transfers, der Ausbildung oder gibt es sonst irgendwelche Auffälligkeiten. Parallel schalten wir hier unser Netzwerk ein und versuchen uns Infos oder auch Videomaterial zu besorgen. Wenn es gute Rückmeldungen gibt, beginnen wir mit der Spielerbeobachtung.

 

Was sind die größten Probleme bei der Kaderzusammenstellung?

 

Ein großer Knackpunkt für den Kader sind eigene Spieler, bei denen die Verträge auslaufen. Es gibt hier in der Öffentlichkeit oft kein Verständnis dafür, warum Verträge mit Spielern nicht verlängert werden. Das ist aber alles andere als einfach. Zu einer Vertragsverlängerung gehören immer zwei Parteien. Spieler, die wissen, dass wir mit ihnen verlängern wollen, sind in einer sehr guten Position. Sie können sich sehr lange Zeit lassen, was auch legitim ist. Wir müssen uns aber absichern, damit wir genau für diese Position gegebenenfalls auch jemanden Neuen finden. Vertragsverlängerungen haben immer etwas mit Geld zu tun und da gibt es bei uns eine klare Obergrenze. Wir müssen immer das gesamte Spielerbudget im Auge behalten. Das Geld muss für alle reichen. Wir brauchen 25 Profispieler, ein extremer Ausreißer geht sich da bei uns nicht aus.

 

Tendiert man zu längeren oder kürzeren Verträgen?

 

Beides hat seine Vor- und Nachteile. Spieler wollen oft keine langfristigen Verträge unterschreiben, weil sie sich über Ried für höhere Aufgaben empfehlen möchten. Eingependelt hat sich in den vergangenen Jahren eine Vertragszeit von zwei bis drei Jahren.

 

Welche Rolle spielen die Manager der Spieler?

 

Die Manager der Spieler haben natürlich großen Einfluss. Sie schauen leider zu oft zu viel auf das Wirtschaftliche und zu wenig auf die sportliche Perspektive. Der Spieler selbst muss letztendlich überzeugt sein, dass er am richtigen Platz ist.

 

Wie wichtig sind die Einnahmen aus Transfers für den Verein?

 

Das ist ein entscheidender Punkt: Wirtschaftlich positive Transfers konnten wir nur machen, weil wir die Spieler davor geholt und bei uns weiterentwickelt haben. Die Transferpolitik der vergangenen Jahre hat uns das Überleben gesichert. Ohne diese erfolgreichen Transfers würden wir in der Bundesliga gar nicht mehr mitspielen. Natürlich ist es auch schmerzhaft, dass wir einen Spieler, sobald er sich bei uns gut entwickelt hat, nicht halten können. Man beginnt immer wieder von vorne, eine Mannschaft zu formen. Das ist natürlich eine schwierige Situation.

 

Welche dieser Transfers machen einem Sportmanager besondere Freude?

 

Speziell jene Transfers, bei denen wir Spieler von der Regionalliga, der Akademie oder der Ersatzbank hochgezogen haben. In den vergangenen sechs, sieben Jahren haben wir kaum Spieler geholt, die zum Zeitpunkt des Wechsels eine führende Rolle gespielt haben. Bei uns haben diese Spieler das Vertrauen bekommen und haben dann aufgezeigt. Danach wechselten sie zu Topklubs in Österreich oder ins Ausland. Und der Verein hat davon wirtschaftlich profitiert.

 

Wird es im Winter Neuzugänge in Ried geben?

 

Wir überlegen, ob wir uns im Winter auf der einen oder anderen Position verändern. Wir sind hier schon mittendrin im Sondieren. Oft hängt es natürlich nur vom Finanziellen ab. Es darf nicht ausufernd sein, aber im normalen Rahmen können wir bereits im Winter etwas tun.